The Colour… Pink
Kaugummis sind rosa, Zuckerwatte ist rosa, Ausnüchterungszellen sind rosa und in den USA sind sogar Kündigungsschreiben rosa. Ist etwas süss und steckt es voller Zucker? Soll es möglichst beruhigend, verführerisch oder harmlos wirken? An Mädels verkauft werden oder überhaupt einfach „Kauf‘ mich“ schreien? Dann ist Rosa bzw. Pink die Farbe der Wahl.

Ja, Wurmrosa – gibt’s tatsächlich auch! Der Regenwurm mag viele ekeln, aber 2011 war er sogar Tier des Jahres (Bild: Heidi & Hans-Jürgen Koch / Pro Natura)
Rosa hat einiges zu bieten: Über 50 verschiedene Rosatöne zählt die Sozialwissenschaftlerin Eva Heller in ihrem Farblexikon auf, darunter so bezaubernde Nuancen wie Marzipanrosa, Perlmuttrosa und Wumrosa…
Rosa? Ausnehmend männlich!
Mit Rosa assoziieren wir heute vieles, aber ganz bestimmt nicht starke Kerle. Dabei galt Rosa lange als ausgesprochen männliche Farbe und war im Rokoko (1715 – ca. 1789) ebenso wie im elisabethanischen England (1558-1603) zeitweise der letzte Schrei in der Männermode. Vielleicht ist damals sogar William Shakespeare rosa gewandet herumscharwenzelt – so es ihn denn tatsächlich gegeben hat, was ja manche anzweifeln.
Auch danach blieb Rosa in der Mode präsent: Lange Zeit wurde der männliche Nachwuchs rosa gekleidet! Rot wurde mit Leidenschaft, Blut, aktivem Eros und Kampf in Bezug gesetzt. Abgeschwächt durch die Reinheit von Weiss war das „kleine Rot“ der richtige Farbton für Männer in Kleinformat.
Deshalb werden bis heute gewisse Zeitungen auf rosa Papier gedruckt – die „Financial Times“ etwa, aber auch der italienische „La Gazetta dello Sport“. Beide richten sich an eine überwiegend männliche Leserschaft.
In einer Handelszeitschrift von 1918 steht zum Thema Kinderkleidung:
„Rosa ist eine entschlossenere, stärkere Farbe und ist daher passender für den Buben, während Blau, das zarter und anmutiger ist, hübscher an Mädchen ist.“
Blau hat in der christlichen Kultur eine lange Tradition als Farbe der Jungfrau Maria, weshalb das „kleine Blau“ (Blau + Weiss) gerne für Mädchenkleider verwendet wurde. Erst als nach dem ersten Weltkrieg dank neuer Färbetechniken der Blaumann, Matrosen- und Arbeiterkleidung auf der Bildfläche erschienen, wurde Blau zunehmend „männlicher“.
Vielfältige (Be-)Deutung
Die deutsche Farbbezeichnung ist vom lateinischen Blumennamen „rosa“ (Edelrose) abgeleitet, ihre Übernahme als generische Benennung der Farbe erfolgte im frühen 18. Jahrhundert.
Das heute auch hierzulande weit verbreitete „Pink“ hingegen wurde erst in den 1980er Jahren eingedeutscht. Während es im Englischen ebenfalls eine breite Palette an Rosatönen abdeckt, steht das deutsche Pink hauptsächlich für ein kräftiges, grelles, violett-stichiges Rosa, das traditionell keinerlei weibliche Eigenschaften hat. Experten nennen diesen Farbton „Magenta“. Das unerfahrene Augge würde die Farbe als Mischung aus Pink und Violett beschreiben, allerdings ist Magenta aus keiner anderen Farbe mischbar und ist das reinste Rot überhaupt!
Pink – das neue Orange
Bis 1980 wurden Plastikartikel vor allem in Orange hergestellt. Als niemand mehr auf diesen optischen Reiz reagierte, betrat Pink die Bühne des Marketings – seither gilt die Farbe als Inbegriff des Billigen, schreibt Eval Heller in ihrem Farblexikon. Auch unseriöse Werbung und schrille Modeaccessoires kommen gerne in Pink daher…
Amüsantes sprachhistorisches Detail: Bevor „Pink“ sich im Englischen als Farbbezeichnung etablierte, wurde das Wort in der Londoner Unterwelt für etwas deutlich weniger rosiges verwendet: Das Erstechen eines Widersachers mit einer scharfen Klinge!
“He pink’d his Dubblet and run him through”
steht erklärend in einem Street-Slang-Wörterbuch aus dem 17. Jahrhundert für “Bettler, Ladendiebe, Strassenräuber und alle anderen Arten von Betrügern und Bösewichten“. Umschrieben wurde damit ein tödlicher Angriff durch das gefütterte Wams des Opfers…
Think Pink und die weissen Mäuse
Die Welt erscheint Dir düster und grau? Dann wirst Du „think pink“ zu hören bekommen – denk‘ Dir die Dinge einfach schöner. Damit wäre dann auch die Brücke zur deutschen „rosa Brille“ geschlagen (wie im Post über Optimismus, welches übrigens den Anstoss gab zur Beschäftigung mit dieser Farbe).

Kinder bevorzugen Torten mit rosa Zuckerguss. Bei Erwachsenen ist es genau umgekehrt: sie bevorzugen weissen Zuckerguss : ) Bildquelle: http://otol.eu/torten-rezepte-rosa.html
Und was hat es mit den weissen Mäusen auf sich? Well, ist ein Engländer im Delirium, erscheinen ihm höchstwahrscheinlich rosa Elefanten („to see pink elephants“). Das geht offenbar auch den Franzosen so („voir des éléphants roses“), während bei deutschsprachigen Patienten davon ausgegangen werden darf, dass weisse Mäuse die Halluzinationen des Kranken bevölkern.
Wahrnehmung von Farbtönen geschlechtsabhängig
Die unterschiedliche Wahrnehmung hat sowohl biologische als auch kulturelle Ursachen. Gemäss Studien von Israel Abramov (City University of New York) nehmen Männer gemischte Farben ein wenig bläulicher wahr als Frauen, die damit die Welt in wärmeren Farben sehen. Eine mögliche Erklärung dafür basiert auf der Tatsache, dass im Sehzentrum besonders viele Andockstellen für das männliche Sexualhormon Testosteron liegen. Soviel zu den biologischen Tatsachen.

Rosa Winkel – Übersicht Erkennungszeichen in Konzentrationslagern. Bad Arolsen, International Tracing Agency.
Doch da gibt es eben auch die kulturelle Prägung. Rosa etablierte sich zumindest in Deutschland schon vor dem Zweiten Weltkrieg so weit als Mädchenfarbe, dass als „weibisch“ geschmähte Homosexuelle in den Konzentrationslagern den sogenannten „Rosa Winkel“ als Erkennungszeichen tragen mussten.
Dieses Symbol, ein auf der Spitze stehendes rosa Dreieck, wurde im Vorfeld der Schwulenbewegung Mitte der 1960er Jahre in Europa übernommen. In den USA ist Violett die klassische Farbe der Homosexuellen. Und auch die Suffragetten in England wählten Violett als Symbol für ihre Anliegen (die Farben Grün, Weiss und Violett standen für Hoffnung, Ehre und Anspruch auf Stimmrecht).
Fleischeslust oder himmlische Ekstase?
Auch kunstgeschichtlich durchlebte Rosa spannende Zeiten. Der „Durchbruch“ gelang dem Farbton offenbar in der frühen Renaissance und zwar aufgrund eines Freskos, welches der italienische Maler Fra Angelico in der Mitte des 15. Jahrhunderts im Kloster San Marco in Florenz malte. „Die Verkündigung“ zeigt den Moment, in dem die Jungfrau Maria vom Erzengel Gabriel erfährt, dass sie die Mutter Jesu Christi werden soll.

Pretty in pink – der italienische Maler Fra Angelico löst mit seinem rosa gekleideten Erzengel eine Revolution aus (Bild: Freskenzyklus im Dominikanerkloster San Marco in Florenz, Szene: Verkündigung mit Hl. Dominikus, ca. 1437-1446)
Ganz abgesehen von den äusserst modern anmutenden polychromatischen Flügeln, die Fra Angelico dem Erzengel verpasste, war vor allem auch die Verwendung von Rosa als Kleiderfarbe bahnbrechend. Traditionell wurde Rosa nämlich bis anno dazumal fast ausschliesslich zur Darstellung von Hauttönen verwendet.
Indem Fra Angelico den Erzengel in üppige Rosatöne hüllte, machte er diesen zu einem fleischlichen Wesen, durchbrach die Grenze zwischen Heiligem Geist und vergänglichem Fleisch. Behauptet jedenfalls der Kunstkritiker Kelly Grovier , der weiter ausführt, dass Rosa damit zum Drehpunkt zwischen Himmel und Erde wurde und der Himmel menschliche Züge annahm…
In den nachfolgenden Jahrhunderten nutzten Kunstschaffende die Farbe Rosa immer wieder als codierten Hinweis auf verwischte Grenzen. Ist auf einem mittelalterlichen Bild etwa ein rosafarbenes Haus zu sehen, so war den damaligen Betrachtern sofort klar: „In diesem Haus hat ein Wunder stattgefunden“.
Auch im 21. Jahrhundert sorgt Pink nach wie vor für Aufmerksamkeit, steht neben Liebe und Romantik eben auch für Anderes, Verqueres, Schrilles, Schräges, für Revolution und Widerstand oder ganz einfach auch dafür, dass die Kasse klingelt…
Gender Marketing: Wenn die Kasse rosa klingelt
Ab 1920 bis in die 1950er-Jahre wurde Rosa zwar schon stark weiblich assoziiert, aber nicht annähernd so streng und allgemeingültig wie heute, erklärt die Historikerin Jo Paoletti. Diese fundamentale Kehrtwende unterstreicht, dass unsere Wahrnehmung von Farben manipulierbar ist – und dass die kulturelle Konnotation einen laaangen Arm hat.
Seit die Industrie das „gender marketing“ entdeckt hat, setzt sie doppelt so viel Spielzeug und Kleidung ab. Hassen Jungs Rosa nur deshalb, weil die kommerzielle Gehirnwäsche ihnen einredet, dieser Farbton sei unmännlich? Lieben die Mädels Pink, weil sie sich dadurch dem weiblichen Geschlecht zugehöriger fühlen?
Ewige Hassliebe
Während Marketing-Strategen mit Rosa offensichtlich so einiges anfangen können, landete Rosa in einer Befragung zu den unbeliebtesten Farben der Sozialwissenschaftlerin Eva Heller nach Braun (20%) auf Platz 2 (17%, Quelle: Farblexikon s. unten).
Ging es um die Lieblingsfarbe, nannten nur 2% aller Befragten Rosa. Blau schwang als Lieblingsfarbe mit 45% obenaus und liess Grün auf Platz 2 (mit 15% der Stimmen) weit hinter sich.
Warum das so ist? Die Konnotation mit Homosexualität könnte mit ein Grund sein, warum gerade heranwachsende Jungs sich oft so heftig von dieser Farbe distanzieren: Sie, die so sehr darum ringen, ihren Platz in der Männerwelt zu finden, möchten um keinen Preis den Verdacht erregen, ein (rosa) Weichei zu sein.
= = =
Oma in Neonpink
Zum Abschluss noch eine Prise Heiterkeit:
Meine Schwester war unlängst in einem Kaufhaus, wo sie von einer alten Dame angesprochen wurde, die gerade eine Jacke von SuperDry in Neonpink (!) begutachtete.
Ob sie diese Farbe tragen könne, wollte die rüstige Seniorin von meiner Schwester wissen. Diese erklärte lachend: „Ich finde, in Ihrem Alter sollten Sie genau das anziehen, worauf Sie Lust haben!“
Was die alte Dame entzückt und etwas verschämt mit folgendem Bekenntnis quittierte: „Ja, wissen Sie, ich bin eben schon über 90 Jahre alt…“
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Links & Quellenangaben
- Rosa Brillen bringen’s doch – ein Post über Optimismus und warum eine positiv verzerrte Wahrnehmung Vorteile hat
- Menstrual Man bzw. Gruss von Tante Rosa – ein Post in dem wir u.a. die sogenannte „Pink Tax“ thematisieren
- Rose Brillen bringen’s doch – ein Post über unverbesserliche Optimisten und warum sie glücklicher sind
- Wie Farben auf Gefühl und Verstand wirken: Farbpsychologie, Farbsymbolik, Lieblingsfarben, Farbgestaltung (15. März 2000), Eva Heller, ISBN-13: 978-3426271742
- Handbuch der Farben: Systematik, Ästhetik, Praxis (20. September 2007), Hans Gekeler, ISBN-13: 978-3832172893
- Pink Stinks – Kampagne gegen Gender Marketing, vgl. dazu auch diesen TV-Sketch über Gender Marketing
- BBC Culture (2018): The shady past of the colour pink
- Die Presse (2013): Rosa, die umstrittenste Farbe der Welt
- https://de.wikipedia.org/wiki/Rosa_%28Farbe%29
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