Deko Total / Meet Nina Haas
Falls Du schon mal auf Fougerette das Tanzbein geschwungen hast, erinnerst Du Dich bestimmt an die unglaubliche Deko, die jeweils das ganze Schlossgelände in eine Wunderwelt verwandelt…
Eine der kreativen Macherinnen hinter diesen Wunderwelten ist Nina Haas, die jeweils beim bei den Kapi-Tän-Zen ihre Fantasie sprühen lässt. Die gelernte Kleidermacherin gewann 2006 als Newcomerin den „Swiss Talent Award“ am Walk of Fashion in Winterthur, was ihr Leben erst mal gehörig durcheinander wirbelte. Mittlerweile entwirft Nina auch Kostüme, macht Deko für Zürcher Clubs und hat gemeinsam mit DJ und Lebenspartner Martin Comini ein eigenes Design-Label lanciert (www.u-and-i.ch). Die Zürcherin mit Bündner Wurzeln ist kein Mensch der grossen Worte. Feingliedrig und gertenschlank, spürt man bei ihr gleichzeitig diese innere Spannkraft, dieser Wille, sich nicht verbiegen zu lassen.
Nina, als Designerin tanzt du auf vielen verschiedenen Hochzeiten. Wo hast Du Deine ersten gestalterischen Gehversuche gemacht?
Mir war früh klar, dass ich im kreativen Bereich tätig sein möchte. Meine Eltern ermutigten mich, etwas zu finden, das mir Freude bereitet. Die visuelle Kommunikation der Kleider faszinierte mich schon früh. Als ich 14 war, spielte ich gerne damit, mich unterschiedlich zu kleiden und war fasziniert davon, was für einen Einfluss Kleider haben: Deren Kraft ist enorm, sie beeinflussen nicht nur, wie uns die Welt wahrnimmt, sondern auch unser Selbstgefühl.
Du bist dann allerdings mit 16 erst mal nach London ausgewandert…
In diesem Sommer arbeitete ich am oberen Letten und sparte etwas Geld. Ich wollte mehr von der Welt sehen und entschied mich, nach London zu gehen, um dort die Sprache zu lernen – unter anderem in der Hoffnung, später in einer Modeschule Fuss zu fassen. Mir gefiel der „London style“. Weg vom eher konservativen Graubünden war London für mich die absolute Befreiung. Dort entdeckte ich auch die Underground Partyszene, lebte in besetzten Häuser und lernte interessante Menschen aus der ganzen Welt kennen. Damals fiel mir auf, wie sehr wir von der eigenen Kultur geprägt werden und wie stark diese unser Denken das Fühlen beeinflusst. Das weckte meine Lust zu Reisen. So reiste ich anschliessend für 3 Monate durch Indien. Ich bin sehr froh um diese Zeit, denn in diesem Alter, bist du noch auf der Selbstsuche. Da tut das Reisen gut.
Hast Du die Ausbildung später nachgeholt?
Ja. Doch ich ging lieber vom Handwerk aus. Mit 19 Jahren habe ich eine 2-jährige Ausbildung als Kleidermacherin gemacht. Dort konnten wir als Lernende schon während der Ausbildung einen eigenen Style entwickeln. Drapieren an der Büste mochte ich besonders gerne. Im 2. Jahr setzte ich eine selbstentworfene Kollektion um. Zu diesem Zweck brachte ich mir diverse Techniken bei, um Textilien zu gestalten, etwa Seidenmalerei, Bleaching und Batik. Eigene Drucke zu entwerfen hat mir Spass gemacht. Die Muster wurden speziell ans Schnittmuster angepasst. Damals zeichnete ich alles von Hand.
Sozusagen aus dem Nichts heraus hast Du dann 2006 mit der Kollektion „Cocoon“ am Walk of Fashion den „Swiss Talent Award“ gewonnen…
Ja, das konnte ich zuerst fast nicht fassen! Damals war ich gar nicht mal so zufrieden mit dem Resultat, ich hatte eine andere Favoritin.
Ein solcher Preis ist ja oft auch ein Sprungbrett für eine Karriere…
Damals meldete sich tatsächlich ein Investor. Doch letztlich hatte ich das Gefühlt, es sei zu früh für eine grosse Kiste. Ich hatte noch viel zu lernen und bin heute froh, dies in kleinen Schritten gemacht zu haben und ohne mich zu verschulden. Die Anfrage hat mich jedoch sehr motiviert, gleich weiter zu machen. Somit gründete ich das Label KUKI und zog nach Bali, wo ich dann 5 Jahre lebte und eigene Designs umsetzte. Ich verkaufte Kleider in der Schweiz, London und Bali. Die letzte Kollektion von KUKI verkaufte ich 2011.
Und was machst Du denn jetzt?
Kleider, Accessoires, Kostüme, Objekte… Für mich fliesst das alles ineinander und so können etwa Lichtobjekte durchaus auch Impulse für Kostüme geben. Inzwischen kreiere ich hauptsächlich Einzelstücke.
Für wen oder mit wem arbeitest Du zusammen?
Seit über fünf Jahren arbeite ich mit der Performance-Künstlerin Zora Vipera. Ich habe diverse Kostüme für sie kreiert. Wir teilen ähnliche Inspirationen und ergänzen uns gut. Als Zora mich anfragte, hatte ich gerade die Kleider für den Film Portable Life von Fleur Boonmann gemacht, in dem auch Rutger Hauer mitspielte. Da entdeckte ich meine Passion für zeitaufwendige Einzelstücke.
Mit Comini ist das Licht in mein Leben gekommen. Gemeinsam haben wir das Label U+I gegründet, für das wir Design-Objekte entwickeln. Angefangen hat das Ganze mit Spielereien im Atelier. Dann öfters gemeinsam Partys dekoriert. Auch der Quallenwald, welcher wir für den Captain’s Rave realisierten, ist ein gemeinsames Projekt. Nachdem wir eine Wand und die Eingangstüre im Club Zukunft gestaltet hatten, kam der Auftrag die WCs zu designen. Das hat uns sofort interessiert, weil die Toiletten im Nachtleben eine wichtige Rolle spielen, aber oft vernachlässigt werden. Bei diesem Auftrag entstand unter anderem auch der Spiegel, der uns dazu bewegte, ein eigenes Label zu gründen.
Wie wichtig ist es bei einer Zusammenarbeit, dass die Chemie stimmt?
Das ist für mich das Allerwichtigste. Springt der Funke nicht, trägt die Arbeit keine guten Früchte. Danach orientiere ich mich.
Eine besondere Art der Zusammenarbeit entsteht jeweils beim Captain’s Rave…
Stimmt, der Captain’s Rave ist ein sehr spezieller Anlass mit einer fantastischen Kulisse. Es ist eine unglaubliche Team-Leistung, denn die verschiedenen Locations werden von rund 30 Personen bespielt, die oft schon wochen- wenn nicht monatelang im Voraus an der Deko arbeiten. Es entstehen dabei wunderbare Sachen, richtige Zauberwelten. Es gibt tolle Performances und gute Musik auf mehreren Floors. Dieser Event ist ein echtes Liebhaberprojekt. Viele Gäste machen auch ihre Kostüme selber. All das macht den Event so farbig und besonders. 2017 steigt das 10-jährige Jubiläum und alle Tentakel wackeln schon vor lauter Vorfreude auf das Riesenspektakel : )
Du sagst von Dir, dass Du lieber im Hintergrund bleibst. Wie wichtig ist Dir Anerkennung?
Wenn man Sachen macht, die keinen Träger finden, bleiben sie leblose Objekte und verlieren ihre Erfüllung. Für mich ist es die grösste Bestätigung, wenn jemand meine Kleider mit Freude trägt und sich darin ganz zuhause fühlt, sich selbst sein kann.
Was bedeutet Geld für Dich?
Früher war Geld für mich der Feind. Verantwortlich dafür, dass meine Familie zerbrach. Schuld daran, dass die Welt zugrunde geht. Inzwischen habe ich mit dem Geld meinen Frieden gemacht und sehe es als das, was es ist: Ein Mittel zum Zweck. Wenn Du keine finanzielle Existenz hast, dann blockiert Dich das. An dem Punkt stand ich auch schon. Nun habe ich einen Job, der mich finanziell trägt. Das gibt mir Raum fürs Kreative, denn mir ist es wichtig, dass die Inspiration mein Antrieb ist und nicht das Geld.
Bist Du eine Einzelkämpferin?
Ich bin sicher gerne für mich. Diese Zeit ist sehr wertvoll und notwendig für meine Arbeit. Ich liebe es jedoch, mit anderen Menschen zu arbeiten. Wenn man sich gegenseitig inspiriert, beflügelt das enorm.
Dein Stil?
Im stetigen Wandel. Kleider und Kostüme nutze ich nicht mich zu Verkleiden, sondern um einen Aspekt der Persönlichkeit zu untermalen. Oft habe ich keine Lust, mich zu schminken. Doch manchmal ist genau dies notwendig, gewisse Züge hervorzuheben. Ästhetisch und kulturell fasziniert mich Japan. Von den Epochen her beeinflussen mich die 20er und 70er Jahre.
Würdest Du Deine Kreationen als Kunst bezeichnen?
Manches ja.
Und was motiviert Dich zu Deinen Kreationen?
Woher dieser Drang kommt, Dinge zu kreieren, weiss ich nicht. Seit der ersten Kollektion interessiert es mich, Kleider mit Tanz in Bewegung zu bringen, was deren Ausdruck verstärkt. Bei den Arbeiten geht es mir auch um die Vermittlung eines Lebensgefühls. Transformation bewegt mich. Ich möchte gerne Dinge erschaffen, die animieren und manchmal auch etwas hypnotisieren.
Wie verläuft denn der Designprozess konkret?
Bei einem Auftrag für eine Raumgestaltung beeinflusst mich natürlich der Kunde, der Zweck des Raumes, aber auch der Raum selber. Bei Kostümen für Tanz und Performance ist dies ähnlich. Da formen sich die Ideen über Empathie. Neue Ideen kommen oft übers Spielen mit einem Material oder einer Form. So lernt man die Materie und deren Eigenschaften kennen. Ich finde es spannend, eine Arbeit nicht mit einer konkreten Vorstellung anzufangen. Wenn nicht nur der Kopf arbeitet, gibt es Platz für die Intuition, und die ist wunderbar.
Du nimmst Dir also viel Zeit. Wie beurteilst Du, ob und wann eine Arbeit fertig ist?
Um Arbeiten zu einem Ende zu bringen, hilft es, eine Deadline zu haben. Sonst kann es schon passieren, dass sich die Idee ewig weiter entwickelt. Bei mir im Atelier liegen viele angefangene Projekte. In manchen Zeiten empfand ich das als Belastung. Doch inzwischen bin ich mir bewusst, dass es ein Prozess ist, Dinge zu entwickeln.
Gibt es Materialien, mit denen Du besonders gerne arbeitest?
Ich liebe spiegelnde Sachen und optische Effekte. Auch sammle ich alte Materialien, die man in Kostüme integrieren kann. Früher konnte man den Dingen Zeit widmen. Das ist auch in meinem Sinn. Bei den Kleidern sind mir das Tragegefühl und die Qualität sehr wichtig. Dort bevorzuge ich natürliche Materialien. Trotzdem bleibe ich gerne offen, letztlich bestimmen die Eigenschaften des Materials meine Wahl.

Häkel-Maske für Spider-Cat Kostüm, Kragen gefaltet aus Karton mit 3-Plastizität
Welches künstlerische Neuland würdest Du gerne betreten?
Filmschnitt. Ich möchte mit dem Objekt “The Money Blinder“, das im Jahr 2012 entstand, ein Stop-Motion Video machen. 3D zeichnen ist auch ein Thema, um Arbeiten umsetzen zu können, da bin ich bereits dran. Ich möchte mich stetig weiterbilden, und lerne, was nötig ist, um bei meinen Projekten weiter zu kommen. Derzeit erlerne ich gerade das Handwerk der Modistin (Hutmacherin).
Wenn Du die Kostüme für einen weiteren Film machen könntest, welcher wäre es?
Fleur Boonman schreibt gerade ein neues Film-Script, das würde mich extrem reizen… Meine grosse Passion ist allerdings die Live-Performance, weg vom Bildschirm, direkt in den Moment. Eine Inspiration wäre es zudem, bei einem hochprofessionellen Performance-Projekt mitzumachen, etwa von Mummenschanz.
Zu guter Letzt noch diese Frage: Glück ist für mich…?
Die Freiheit.
Das gefunden zu haben und machen zu dürfen, was ich am meisten liebe.
Sauberes Wasser und frische Luft.
= = =
Nina Haas‘ Lichtkreationen findest Du hier http://www.u-and-i.ch.
Exklusiv für Kostümanfragen (zum Beispiel von Mummenschanz :-)) hier der direkte Kontakt zu Nina: nina@u-and-i.ch.
Dieses Jahr finden der eingangs erwähnte Captain’s Rave zum zehnten Mal statt, das Jubiläum wird selbstverständlich in Hochform und in stilgerechter Umgebung begangen. Der Anlass ist eine „Soirée Privée“, Anmeldung & weitere Infos via tentakel@captainsrave.ch.