Ardoise à la Maria

Ardoise_before

Wie es früher aussah…

Bevor es Zeit ist für den erneuten Winterschlaf, hat Fougerette von unserer Freundin und Künstlerin Maria Kühnen ein grossartiges „Bettmümpfeli“ geschenkt bekommen: Ausgehend vom Namen Ardoise (dt. Schiefer), hat Maria die schlichte Schönheit des ehemaligen Dienstbotenzimmers Schicht für Schicht frei gelegt. Das Ergebnis: Eine rundum stimmige Neugestaltung, die uns begeistert!

Wie es dazu kam?
Maria hat gemeinsam mit Mann und Tochter fast zeitgleich wie wir ein Haus in Frankreich erworben und bringt dort seither ihre Kompetenz als Künstlerin und Raumgestalterin zur Blüte (Bilder s. hier). Abgesehen davon, dass die Chemie schon bei der ersten Begegnung ganz einfach stimmte, haben uns auch die oft erstaunlich parallel verlaufenden Irrungen und Wirrungen des Daseins als Hausbesitzer aneinander geschmiedet. Der Austausch ist stets bereichernd, erfrischend und wohltuend – ein weiterer Glücksfall in unserem Leben, für den wir zutiefst dankbar sind.

Ardoisières

Ardoisières d’Angers

Warum das Zimmer Ardoise heisst? Nun, Fankreich ist auch heute noch das Land mit dem weltweit höchsten Verbrauch an Schiefer und verfügte ehemals über eine bedeutende nationale Produktion, u.a. in den Ardoisières d’Angers. Dort waren noch Anfang der 1980-er Jahre über 2’000 Arbeiter beschäftigt, im Frühjahr 2014 wurde jedoch die Mine definitiv geschlossen.

Die über 600-jährige Geschichte des Schiefer-Abbaus wird im Musée de l’Ardoise nachgezeichnet. Ein Besuch dürfte sich lohnen, wenn dieses auch nur annähernd so gut gestaltet ist wie das Museo del Carbone, welches wir letztes Jahr in Sardinien besuchten: Die Retortenstadt Carbonia wurde in den 1930-er Jahren offenbar als Antwort auf das Kohle-Embargo gegen das faschistische Regime in Italien aus dem Boden gestampft.

Obwohl nur knapp 40 Jahre operativ tätig, waren in den Kohleminen Carbonias in den besten Zeiten über 12’000 Arbeiter beschäftigt, die rund um die Uhr in drei Schichten arbeiteten. Auf einen Arbeitstag von 8 Stunden mussten die Minenarbeiter weitere 8 Stunden zusätzlich aufwenden für das Abholen bzw. die Rückgabe ihrer Minenlampe, den Abstieg in bzw. Aufstieg aus der Mine (eng zusammengepfercht im Aufzug, im nahezu freien Fall) sowie den Fussweg unter Tag vom Aufzugsschacht bis zum jeweils bearbeiteten Flöz, der bis zu 7 km lang sein konnte.

Wie die Minenarbeiter – darunter auch viele politische Häftlinge wie Kommunisten oder Homosexuelle – in dieser drückend-schwülen Finsternis bei fast 40 Grad Celsius das unaufhörliche eiserne Rasseln der Bohrhammer und Förderbänder, die dumpf knallenden Sprengungen und die ständig drohende Gefahr von Einstürzen oder möglicherweise austretenden giftigen Gasen ertrugen, und inmitten des ganzen Pandemoniums auch noch Kohle in den engen, teilweise nur 50 cm hohen Stollen auf dem Bauch liegend abtrugen, ist schlicht unvorstellbar. Die alten Fotografien, auf denen die völlig betäubten, leeren Blicke der heimkehrenden Arbeiter nach ihrem 16-stündigen Einsatz zu sehen sind, trägt man jedenfalls noch lange mit sich herum.

Was Maria über Ardoise sagt?

Mein Entwurf für das Zimmer beruht im Wesentlichen auf drei Impulsen:

Zum einen habe ich Bezug auf die frühere Nutzung des Zimmers genommen. Ursprünglich als Dienstbotenzimmer genutzt, sollte die neue Gestaltung in seiner Schlichtheit und ‚asketischen‘ Klarheit daran anknüpfen. Zum anderen war es meine Absicht, einen Raum zu gestalten, in dem man sich gerne aufhält; das Zimmer sollte einladend werden und einen wohnlichen Rückzugsort für temporäre Bewohner des Schlosses darstellen – und einen Raum, dem man anmerkt, dass er mit grosser Hinwendung für den Gast gestaltet wurde. Darüber hinaus sind Räume für mich nicht bloss vier Wände, ein Boden und eine Decke. Ich begreife sie vielmehr als eigenständige Wesenheiten mit ihrer je eigenen Geschichte, die aufgenommen, bearbeitet und transformiert werden will. Bei diesem Zimmer, das über die letzten Jahrzehnte unbewohnt gewesen und dadurch im Wortsinne auch unbehaust geworden war, war es mir ein besonderes Anliegen, dass es eine  intensive und sorgfältige handwerkliche, künstlerische und gedankliche Zuwendung erfährt. Vergleichbar mit einem vergessenen und hart gewordenen Klumpen Ton, der durchgeknetet und gewalkt werden will um wieder geschmeidig zu werden. Und diese unter anderem auch ganz plastische Energie, diese Zuwendung, die dieser Raum dadurch erfährt, die ist dann deutlich spürbar, holistisch sozusagen.

Und schliesslich wurde die inhaltliche Umsetzung von dem vorgegebenen Titel des Zimmers gelenkt: Ardoise – Schiefer – als Schichtgestein hat mich zu verschiedenen Überlegungen zum Thema ‚Schichtungen‘ geführt. Erinnerungs-Schichten, Schichtungen der Psyche, historische Ge-Schichten, physisch-materielle Schichten… So habe ich beispielsweise die Schichten der Wandoberfläche in einem objekthaften Ausschnitt sichtbar gemacht: die Wand, wie ich sie mit der alten Tapete vorgefunden habe, die darunter liegende Oberfläche im Originalzustand und im Stadium mit der von mir angelegten Grundierung. Ein anderes Beispiel ist das Buch zum Schieferabbau im Berner Oberland, das nun zur Ausstattung des Zimmers gehört. Wer den kleinen Roman gelesen hat, findet von dort ausgehend möglicherweise weitere Bezüge und Schichtungen im Raum – oder erfindet seine ganz eigenen Geschichten dazu. So sind alle von mir vorgenommenen Eingriffe im Raum, von den eigens angefertigten oder umgestalteten Möbeln über die Objekte bis hin zur Wandgestaltung Anknüpfungen an diese unterschiedlichen Aspekte von Schichtung. Und wenn der temporäre Bewohner seine eigenen persönlichen Gegenstände zeitweise mit hinein nimmt, dann werden auch diese zu einer weiteren Schichtung im Raum – wie auch er selbst zu einem weiteren Teil der Ge-Schichte dieses Zimmers.

 

Wie Ardoise jetzt aussieht?

Guckst Du nachstehend. Die Bilder sprechen für sich!

Copyright für alle Fotos: www.mariakuehnen

 

ÜBER MARIA KÜHNEN

MARIAKÜHNENGeboren bin ich 1971 in einem kleinen Dorf am Niederrhein (D). Mit etwa 15 Jahren begann ich mich ernsthaft mit künstlerischen Absichten zu tragen, ich war damals auf einer Jugendkunstschule. Dennoch habe ich dann nach dem Abitur Erziehungswissenschaften studiert, in der Jugendhilfe gearbeitet und parallel dazu immer wieder Ausstellungen gemacht. Ein Wendepunkt kam mit 30, als ich vor der Entscheidung stand, entweder Karriere in der Jugendhilfe zu machen, oder doch ganz in die Richtung zu gehen, die ich eigentlich immer wollte. Daraufhin habe ich noch einmal ein Studium begonnen, nämlich Malerei und dabei den Schwerpunkt auf Komposition und Farbenlehre gelegt. Schon gegen Ende dieses Studiums hatte ich den ersten grösseren Innengestaltungsauftrag, bei dem ich ein ehemaliges Gefängnisgebäude in ein Gästehaus umgewandelt habe. Da der differenzierte Umgang mit Farbe für mich seit jeher ein besonderere Leidenschaft war und es in meiner Malerei auch immer darum ging, dass die Farbe über sich und den Bildträger hinaus in den Raum wirkt, lag die Raumgestaltung für mich sehr nahe. Mit meinem Umzug in die Schweiz vor 10 Jahren habe ich dann einige Weiterbildungen im 3-D-Bereich gemacht, das heisst ich habe mich mit Gusstechniken und Objekten auseinander gesetzt und damit begonnen, zunehmend Raum-Installationen zu machen. Seit ich mit meiner Familie dann vor 3 Jahren unser grosses Projekt in Südfrankreich begonnen habe, fliesst ein Grossteil meiner Arbeit in die Raumgestaltung dieses Hauses, das Familien- und Begegnungsort ist und dessen langsame Umgestaltung ein work-in-progress ist. Im Moment gestalte ich ausserdem ein Ladenlokal im Kreis 4 in Zürich für den ‚Plattenladen‘ von Claudia Pabst, der Anfang Oktober seine neuen Räume beziehen wird – unbedingt reinschauen, das lohnt sich 🙂 http://www.mariakuehnen.ch

Comments
3 Responses to “Ardoise à la Maria”
  1. Regula Obi sagt:

    Liebes Fougerette, das ist ein unglaublich tolles Zimmer! Gratuliere Maria! Die schönen Detail, diese Eigenkreationen geben noch das Tüpfli auf das i. Bitte noch mehr solche!
    Lieben Gruss, Regula

  2. Marion Sprenger sagt:

    Originell, Eigen (einzigartig?) liebevoll
    Grüässli Marion

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